Übersicht
Wie funktioniert eigentlich das Schweizer Bildungssystem? Diese Frage ist vor allem für Auswanderungswillige mit schulpflichtigen Kindern eine wichtige Frage, mit der es sich frühzeitig auseinander zu setzten gilt. Immerhin unterscheidet es sich doch in gewissem Maße von dem des deutschen Schul- bzw. Bildungssystems. Grob aufgliedern lässt sich der Bildungsweg in die Primarstufe (inkl. Kindergarten) sowie die darauffolgende Sekundarstufe I. Beide sind obligatorisch (= verpflichtend). Die beruflich weiterführende Sekundarstufe II und die Tertiärstufe (Hochschule) sind freiwillig. Dies entspricht der Bildung nach Beendigung der Klasse 9 (Realschule Klasse 10 oder Gymnasium Klassen 10, 11, 12 und 13).
Das Wichtigste auf einen Blick:
- In der Schweiz herrscht in den meisten Kantonen eine Bildungspflicht, aber keine Schulpflicht.
- Die Schul-/Bildungspflicht beginnt mit 4 Jahren.
- Die Schul-/Bildungspflicht dauert elf Jahre und umfasst die Primarstufe sowie die Sekundarstufe I (9 Schuljahre / Klasse + 2 Jahre Kindergarten).
- Durch das föderale System der Schweiz, ist Bildung “Sache” der Kantone.
Die Unterrichtssprache
In der Schweiz gibt es vier Amtssprachen (Deutsch, Französisch, Italienisch und Rätoromanisch). Aus diesem Grund findet auch der Unterricht in der Amtssprache des jeweiligen Kantons statt. Jedoch lernen fast alle Kinder in der Schule Englisch sowie eine zweite, in der Schweiz gängige Amtssprache.
Die Rolle der Kantone
Ebenso wie in Deutschland, wo die Bildung Sache der Bundesländer ist, ist auch in der Schweiz das Bildungssystem überwiegend Sache des jeweiligen Kantons. Somit gibt es in der Schweiz genau genommen nicht ein einheitliches Schulsystem, sondern 26.
So kann es durchaus vorkommen, dass Regelungen bezüglich Schul- und Bildungspflicht (vor allem im obligatorischen Teil) von Kanton zu Kanton und sogar von Gemeinde zu Gemeinde unterschiedlich sind. Regelmäßige Kontrollen des Bundes stellen lediglich sicher, dass die Schulen den Qualitätsanforderungen entsprechen. Außerdem wurde der “Lehrplan 21” ins Leben gerufen, an dem sich alle Kantone bei der jeweiligen Ausarbeitung der Lehrpläne orientieren sollen, um so z.B. kantonal-übergreifende Schulwechsel zu vereinfachen. Ab Sekundarstufe 2 hat der Bund etwas mehr Einfluss.
Übrigens: Da es in der Schweiz keine Schulpflicht, sondern lediglich eine Bildungspflicht gibt, ist es Eltern in einigen Kantonen (z.B. Bern, Aargau, Appenzell Ausserrhoden und Waadt) möglich, ihre Kinder auch von zu Hause zu unterrichten, sofern der jeweils gültige Lehrplan eingehalten wird. Dies ist jedoch mit einigen Auflagen und Aufwand verbunden, weswegen nur knapp 200 Familien in der Schweiz diese Art der Beschulung praktizieren.
Stufe | Obligatorisch? | Klassen CH | Klassen DE | Schulformen CH | Schulformen DE |
Primarstufe | ja | Kindergarten (2 Jahre) + 6 Klassen (Grundschule) | 4 Klassen (Grundschule) | Primarschule | Grundschule |
Sekundarstufe I | ja | Klasse 7 bis 9 | Klasse 5 bis 9 | Realschule, Sekundarschule, (Unter-)Gymnasium | “Gesamtschule” / Einklassenschule | Gesamtschule, Hauptschule (Mittelschule), Realschule, Gymnasium |
Sekundarstufe II | nein | ab Klasse 10 | Klasse 10 bis 12 (13) + Berufsbildung | gymnasiale Maturitätsschule und Fachmittelschule oder Berufsfachschule, Kantonsschule | (Berufliches) Gymnasium, Berufsschule und Berufsfachschule |
Die Primarstufe (Kindergarten & Grundschule)
In den meisten Kantonen (vor allem der Deutschschweiz) beginnt mit der Primarstufe die offizielle schulische Laufbahn. Insgesamt ist diese auf acht Jahre ausgelegt, die Kinder sind bei Eintritt in der Regel zwischen vier und fünf Jahre alt. Die ersten beiden Jahre verbringen die Kinder jedoch im Kindergarten. In den restlichen sechs Jahren wird folgendes Unterrichtet:
- die jeweilige Landessprache
- eine erste Fremdsprache (eine gängige Amtssprache der Schweiz)
- eine zweite Fremdsprache (meist Englisch)
- Mathematik
- Natur, Mensch, Gesellschaft (Naturkunde, Geografie, Geschichte, Lebenskunde)
- Bildnerisches, Textiles sowie Technisches Gestalten
- Musik
- Sport
Nach Beendigung der Primarstufe sind die Kinder in der Regel zwischen 12 und 13 Jahre alt.
Sekundarstufe I
Die Sekundarstufe I (auch Oberstufe genannt) dauert drei Jahre und ist leistungsdifferenzierter als die Primarstufe. Sie soll auf die Berufsbildung oder den Übertritt auf weiterführende Schulen vorbereiten. Folgende Fächer werden Unterrichtet:
- die jeweilige Landessprache
- eine erste Fremdsprache (eine gängige Amtssprache der Schweiz)
- eine zweite Fremdsprache (meist Englisch)
- Mathematik
- Naturwissenschaften
- Geografie und Geschichte
- Hauswirtschaft
- Bildnerisches, Textiles sowie Technisches Gestalten
- Musik
- Sport
Im Vergleich: In Deutschland umfasst die Sek I die Klassen 5 bis 10 (an Realschulen und Gesamtschulen). An Gymnasien ist die Sek I mit erfolgreichem Abschluss der Klasse 9 beendet.
Die Schulmodelle
In welcher Form (Schulmodell) dieser Lernstoff vermittelt wird, kann der jeweilige Kanton bzw. die jeweilige Gemeinde autonom entscheiden. Es gibt insgesamt drei verschiedene Schulmodelle:
1. Das geteilte Modell
SchülerInnen werden nach dem Leistungsniveau in zwei bis vier verschiedene Schultypen (je nach Kanton) selektiert. So genügt die Realschule den grundlegenden Anforderungen (Niveau C), die Sekundarschule den erweiterten Anforderungen (Niveau B) und das (Unter-)Gymnasium (Niveau A) den hohen Anforderungen.
2. Das kooperative Modell
Beim kooperativen Modell findet eine Leistungsselektion statt. Die Stammklassen bestehen aus Lernenden mit unterschiedlichen Leistungsanforderungen. Die Niveaufächer werden in leistungsdifferenzierten Niveaukursen (A, B oder C) unterrichtet.
3. Das integrierte Modell
Beim integrierten Modell findet keine Leistungsselektion statt. Die Stammklassen bestehen aus Lernenden aller Leistungsniveaus. Lediglich die Niveaufächer wie Deutsch, Englisch, Französisch und Mathematik werden nach Niveau (A, B oder C) der jeweiligen Schüler unterrichtet.
Nach Beendigung der Sekundarstufe I ist der obligatorische (verpflichtende) Teil der Schulbildung im Alter von 15 - 16 Jahren in der Schweiz abgeschlossen.
Sekundarstufe II
Die Sekundarstufe II umfasst die Bildungswege an gymnasialen Maturitätsschule, Fachmittelschulen oder Berufsfachschulen sowie Kantonsschule. Genau wie in Deutschland nehmen sie bei der “Schulbildung” auch einen Stellenwert bei der Berufs(aus)bildung ein.
Maturitätsschule
Die Maturitätsschule dauert vier oder sechs Jahre und endet im Optimalfall mit dem Erreichen der Hochschulreife. Aufnahmebedingungen sind ein Sekundarschulabschluss oder eine Aufnahmeprüfung.
Fachmittelschule
Als Nachfolgerin der Diplommittelschule dauert die Fachmittelschule 3 Jahre und endet mit dem Erreichen der Zugangsberechtigung zu höheren Fachschulen oder Fachhochschulen (FH). Dies entspricht also der deutschen Fachhochschulreife.
Berufsfachschule
Die Berufsfachschulen sind das Schweizer Äquivalent zur deutschen Berufsschule und ein Teil des dualen Ausbildungssystems.
Kantonsschule
Genau wie die Maturitätsschule kann man an einer Kantonsschule die allgemeine Hochschulreife erlangen. Kantonsschulen gibt es in den Kantonen Aargau, Appenzell Ausserrhoden, Glarus, Graubünden, Luzern, Obwalden, St. Gallen, Schaffhausen, Schwyz, Solothurn, Thurgau, Zug und Zürich.